„Kein Boot unter Hundert“ – Generation Babyboomer auf Vereinsfahrt
Eigentlich wollten wir ja dieses Jahr zur Vereinsfahrt an die Weser fahren. Sehr optimistisch erfolgte die Auswahl des Campingplatzes in Gieselwerder auf Grund des Freibades in der Nähe. Der Dauerregen machte dann aber nicht nur den Freibadbesuch unmöglich, sondern auch das Campen und Paddeln überhaupt – der Platz stand unter Wasser.
Fahrtenleiter Andreas mußte daher kurzfristig umorganisieren und fand eine Platz an der Sieg in der Nähe von Hennef. Die Sieg hatte auch Hochwasser, aber versprach noch gut paddelbar zu sein. Das schlechte Wetter führte aber zu eine gewissen Auslese der teilnehmenden Vereinsmitglieder – nur die ganz Harten fuhren mit. Zufällig fast alle der Generation Babyboomer angehörend, ein Umstand der für den Verlauf der Fahrt nicht unwesentlich sein wird.
Mittwoch, 29.5.2013:
Auf dem Weg nach Hause wollte ich eigentlich noch kurz beim Friseur hereinspringen um mir eine paddelgerechte Frisur zuzulegen. Ein kurzes Blick in den Laden zeigte aber leider eine größere Zahl Rentnerinnen in Vorbereitung auf den folgenden Feiertag. Zwar waren noch einige Plätze frei, aber die Zahl der Friseure war überschaubar. Mir fiel ein, das mir der Geschäftsinhaber bei einem der letzten Male erzählt hatte, sie hätten auch Nachwuchssorgen und würden nicht genug Auszubildende finden… Also kein Haarschnitt.
Die Fahrt zu Sieg verlief unspektaktulär mit überschaubarem Stau auf der A1. Das Navi führte uns zuverlässig, bis wir plötzlich vor einem Sackgassenschild standen. Kein Hinweis auf den Campingplatz, und eine Straße mit einer Breite von knapp 3 Metern ließ eine Weiterfahrt nicht sinnvoll erscheinen. Wir sind dann noch etwas suchend umhergeirrt, ohne aber den Platz zu finden. Ein Anruf bei unserem Fahrtenleiter erbachte Klarheit: „Ja, genau, da wo Sackgasse steht hereinfahren, und dann bei dem Griechen halten, wir essen da gerade und ich erklär auch das weitere“.
Gesagt, getan, noch 500 Meter weiter über engste Wege, und schon stehen wir auf der Wiese. Die zahlreichen über die Wiese verteilten Betonplatten machen Hoffnung für die nächsten Tage. Wie stellen uns auf eine der Platten und haben in den nächsten Tagen immerhin keine Matsche vor der Haustür.
Der Campingplatz hat sich erfreulicherweise den modernen Trend zum „Glamourous Camping“ vollständig verschlossen. Die nächste Wasserstelle ist gut 500 Meter entfernt, und wehe man hat den Schlüssel für das Waschhaus vergessen mitzunehmen…. Leider auch kein Brötchenladen in der Nähe.
Donnerstag, 30.5.2013:
Während wir noch auf unsere Nachzügler warten, bringen wir schon mal die Autos vor zum Ausstieg in Meindorf. Anschliessend helfen wir die neu angekommenen Wohnwagen auf die noch freien Betonplatten zu verteilen und machen uns paddelfertig. Die Sieg rauscht mit kräftigem Zug und kleineren Schwällen dem Rhein entgegen. Einer der Mitpaddler testet in einem Schwall unfreiwillig die Wassertemperatur- sehr kalt. Am sehr schön gelegenen Vereinshaus des Siegburger Turnvereins machen wir eine kurze Rast. Das Wehr ein kleines Stückchen flußab hat zwar eine Bootsgasse, die aber komplett überspült ist, so daß umtragen angesagt ist. So wird man wenigstens wieder warm.
Regen gibt es keinen, so erreichen wir wenig später den Ausstieg in Meindorf nach gut zu schaffenden 20 km.
Zurück am Platz klart der Himmel auf und es wird sonnig und fast warm. Irgendwie hat keiner Lust zu kochen, sogar daß sich alle später beim ortsansässigen Griechen wiederfinden.
Leider hält das Wetter nicht, als wir ins Bett gehen prasselt schon wieder der Regen auf das Wohnwagendach. Meine Begleiterin hat ihre Campingkarriere in Mooslandl begonnen und findet das daher „eigentlich gemütlich“.
Freitag, 31.5.2013:
Beim Frühstück ist es immer noch gemütlich, und wir haben schon beschlossen heute das Paddeln ausfallen zu lassen und nach Bonn ins Museum zu fahren. Aber auch sonst erkennt man keine Aktivitäten auf der Wiese. Gegen 11:00 Uhr klopft Andreas an und berichtet, das alle anderen nicht paddeln wollen und fragt ob wir denn mit nach Bonn ……..
Die meisten schlendern durch die Ausstellung „The American Way. Die USA in Deutschland“ – sie beginnt mit dem Ende des 2. Weltkrieges, über Carepakete, Marshallplan, Präsident Kennedy und und bis zur Neuzeit. Dazwischen immer wieder große Touchscreens mit der Musik der jeweiligen Zeit. Daneben stehen meist grauhaarige Menschen mit glänzenden Augen, lachend und kichernd und sich der eigenen Jugend erinnernt. Oder, wie Elke feststellte: „Erscheckend früh in der Ausstellung wechselte es von Dingen die man nur aus Erzählungen kannte zu denen, an die man sich selbst erinnerte.“
In einem Kino laufen Auschnitte aus amerikanischen Spielfilmen – kaum einen den man mal nicht kennt. Etwas weiter auch ein schöner Ausschnitt aus dem Konzert von Bruce Springsteen am 19.7.88 in Ostberlin. Das Publikum singt begeistert „Born in the USA“ und schwenkt selbstgemalte Flaggen des Klassenfeindes. Wundert irgenwie nicht mehr, das es da bis zum Ende der DDR nicht mehr weit war.
Nach der Ausstellung fahren wir noch zur Resterampe eines großen Outdoorhändlers und ergänzen unsere Vorräte an warmer Kleidung.
Samstag, 1.6.2013:
Heute ist dann doch noch mal Paddeln angesagt, von Eitorf geht es mit schneller Fahrt bis zum Campingplatz. Wieder eine schöne Strecke ohne größere Schwierigkeiten. Im Nachklang des gestrigen Tages fällt dann auf, das nur Zweier unterwegs sind – und kein Boot unter hundert Jahre an Bord hat. Selbst unser „Jüngster“ schafft es nicht den Alterschnitt in seinem Boot unter die magische Zahl zu drücken.
Der Stimmung tut das keinen Abbruch, und das abendliche Grillen in geselliger Runde läßt sich weder durch Kälte noch Wind beeinflußen.
Sonntag, 2.6.2013:
Leider ist auch schon alles wieder vorbei, so bleibt nur noch alles zusammenzupacken, noch einmal auf der Wiese den Atem anzuhalten – „Hoffentlich bleiben wir nicht stecken“ und wir verlassen das Rheinland Richtung Heimat.
Fazit:
Babyboomer sind nicht nur das Rückgrat unserer Gesellschaft, sondern auch manches Kanuvereins. Sie brauchen zwar schon mal Hilfe beim Aussteigen oder Umziehen, kommen aber immer noch gut zurecht:
Wenn wir mal in Rente gehen, wird man uns überall sehen, wir werden nicht nur die Plätze beim Friseur in Beschlag nehmen. Nur wahrscheinlich werden wir uns die Haare dann selber schneiden müssen, da kommt ja kaum jemand nach….
Danke an Andreas für die schönen Fotos!
Wer mehr über die unterschiedlichen Generationen lesen möchte, kann das hier tun.
Neueste Kommentare